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Wie wir ins Oderbruch kamen...

September 2013

Neulietzegöricke besitzt eine Art Chronik, wie wir sie noch nicht gesehen haben.

Pfarrer Schultze hat 1905 die "Parochie Neulietzegöricke" verfasst. Diese hat uns der Bürgermeister als Willkommensgeschenk überreicht. Keine Frage, dass ich zuerst das Wort "Parochie" google`n musste. Dann habe ich die Parochie Neulietzegöricke gelesen. Zweimal, weil es so schön war. Das waren lange Nächte, ist diese doch in altdeutscher Schrift verfasst.

"Lietze" nennen die Einwohner ihr kleines Dorf, nahe der Oder und dem mittlerweile so bekannten "Theater am Rand". Der Name stammt aus dem Slawischen und bedeutet "kahle Hügel" oder "kahle Berge". Damit war aber Altlietzegöricke gemeint, welches auf der anderen Seite der Oder liegt und heute Stare Lysògorki heißt. Aber darüber später mehr. Heute erzähle ich, wie wir überhaupt nach Neulietzegöricke kamen und später wie unsere Idee entstand, eine Pension eröffnen zu wollen, die Oderbruch-Landpension.

Wir haben das Jahr 2013 und wir wollten uns ein kleines Haus kaufen. Etwas, wo man sich verwirklichen kann, seine Wochenenden zwar arbeitend, aber gern arbeitend verbringt, ein Fachwerkhaus, oder etwas für die Tiere, was zum Ausspannen oder mal sehen, was es überhaupt gibt... Also durchforsten wir alle gängigen Immobilienseiten im Internet auf der Suche nach etwas Kleinem aber Feinem im Oderbruch. Es gibt hier und da ein paar nette Häuschen, nichts was gleich überzeugt hat, aber eines fällt auf. Wir fahren also mit dem "Kommunen-Auto" meiner Freundin inklusive Freundinnen, Kinder und Mann los. Während ich freudestrahlend und voller Aufregung aus dem Auto stieg, fiel meinem Mann und meinen Freundinnen so ziemlich alles aus dem Gesicht. Klarer Fall von: "die können einfach nicht sehen, was ich sehe". Trotzdem, es wurde abgelehnt. OK, weiter geht's. Ich sitze eines Tages bei dem "Traktorenverkäufer meines Vertrauens" und erzähle von unserem Wunsch.

Er macht also mit uns eine Oderbruchtour auf der Suche nach unserem kleinen Häuschen.

Es sollte ein Fachwerkhaus sein und viel Nebengelass haben. So durchqueren wir irgendwann zum ersten Mal in unserem Leben Neulietzegöricke. Unser Fahrer - ein eingefleischter Oderbruchler- gibt uns hier und da zu verstehen, welches Haus leer steht oder einen Käufer sucht. Neulietzegöricke 27 steht auch zum Verkauf. Doch leider ist das Nebengelass kaum erkennbar und es gibt dort keine Scheune. So fahren wir weiter. So schöne Fachwerkhäuser lächeln uns aus ihren freundlichen Augen an. Die hübsch hergerichteten Vorgärten, die kleine Kneipe, die wunderschöne Kirche und der kleine Laden in der ehemaligen Schule ziehen uns in ihren Bann.

Im Internet findet meine Freundin dieses Haus wieder. Tatsächlich, Neulietzegöricke 27 steht zum Verkauf. Wir machen wieder eine Oderbruchtour und fahren dorthin. Betreten das Grundstück. Zum ersten Mal erkenne ich, wie schön das Haus eigentlich ist, oder einmal war.

Wir schauen weiter und dann rennen wir doch lieber weg. Es sieht so aus, als wollte es gleich nach hinten kippen. Das Haus ist abgesackt, die kleine Laube längst zerstört, aus den Fundamenten wuchsen riesige Bäume, der Rähm ist gebrochen, der Stall, oh Gott war der mal schön, zumindest als die andere Hälfte noch stand, eine weitere Stallruine vollkommen eingewachsen hinter dem Haus, ohje. Wir gehen, haben genug gesehen.

Ich komme nicht los, berichte Thomas davon, bettele, dass wir doch wenigstens mal gucken fahren. Wir waren ja schon einmal nach unserer Oderbruchtour als Familienausflug getarnt in Neulietzegöricke, haben uns aber das andere kleinere niedliche Haus angeschaut. Ich möchte immer alle Häuser von hinten sehen, so auch dieses und traute mich einfach nicht aufs Grundstück. Sowas macht man eben nicht. Da kam eine ältere Dame mit Rollator auf ihrem Spaziergang an uns vorbei und sprach uns an. Ich erzählte ihr von meinem Vorhaben, das Grundstück betreten zu wollen und sie ermutigte mich: " Geh`n se ruhig, ick steh schmiere." Das werde ich nie vergessen, aber getan hab ich es dennoch nicht, bis heute nicht.

Geschafft, ich darf noch einmal hinfahren und Fotos machen. Thomas wird sie sich anschauen. Kaum fahre ich über die alte Oder wird das Herz weit. Das ist noch immer so. Oft wünsche ich mir, dass es ewig so bleibt. Ich lasse irgendetwas hinter mir und kann es nicht erklären. Mache das Fenster weiter auf und atme tief ein. Dann lächle ich und fahre unbewusst langsamer. Angekommen. Fotos machen, viele Fotos. Nichts verschweigen. Je mehr kaputtes ich entdecke, je schöner wird das Haus. Es gibt keinen Zusammenhang. Es ist nur, dass einem mit jedem Blick weitere Besonderheiten ins Auge fallen. Auf dem Heimweg telefoniere ich mit Thomas, möchte ihn überzeugen, dass es das Richtige ist, möchte den Verkäufer anrufen, möchte nicht weiter suchen, möchte das Haus, jetzt. Ich fahre lange bergauf, das Oderbruch ist hier zu Ende, fahre rechts ran, dreh mich um und schaue in das Tal, rufe den Verkäufer des Hauses an, handele mit ihm bereits am Telefon, lächle und hab mich entschieden. Das schlimmste folgt noch, dachte ich mir. Thomas, der die ganze schwere Arbeit dann vor sich hat, muss überzeugt werden. Wie geh ich das nur an. Es war gar nicht so schwer. Thomas gefällt es auch. Männer sind in Bausachen immer Realisten, das war die einzige Schwierigkeit. Wir sind ein Team und kaufen. Im Dezember 2013 unterzeichnen wir den Kaufvertrag und feiern. Fortsetzung folgt...

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